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Clubhouse: Hält der Hype?

Johanna
23. Januar 2021
Das Jahr 2021 ist erst wenige Wochen alt und doch hat es schonen einen neues Online-Phänomen hervorgebracht: „Clubhouse“. Was sich anhört wie der Treffpunkt einer elitären Studentenverbindung ist die aktuell heißeste Social-Media-App.

Darin können Nutzer Gesprächen zu bestimmten Themen zuhören oder sich aktiv an Diskussionen beteiligen. Clubhouse ist ausschließlich audiobasiert und ähnelt daher Podcasts – mit dem Unterschied, dass sich User selbst aktiv beteiligen können. Welche Chancen und Risiken Clubhouse birgt und welches Potenzial die Plattform auf Dauer besitzt, wollen wir in diesem Artikel unter die Lupe nehmen.

Exklusiv-Hype mittels Schneeballsystem

Schauen wir uns zunächst an, wie Clubhouse funktioniert. Das Besondere vorab: Zwar kann jeder die App aus dem Apple App Store herunterladen – eine Android-Version existiert nicht –, aber man kann nicht einfach beitreten, sondern muss von einem anderen User eingeladen werden. Dieses „Invite“-Prinzip kennen einige vielleicht noch von Facebook. Auch dieses Netzwerk war ganz zu Beginn nur via Einladung eines anderen Mitglieds nutzbar. Ähnlich verhielt es sich bei Google Wave, das sich – im Gegensatz zum heutigen Marktführer Facebook – aber nicht durchsetzen konnte.

Das Angebot künstlich zu verknappen ist gewiss ein Marketing-Clou der Clubhouse-Erfinder. Die Tatsache, dass Nutzer nur via Einladung reinkommen, führt sogar soweit, dass man im Netzwerk bei jedem Teilnehmer sieht, von wem er eingeladen worden ist. Vermutlich soll dies dafür sorgen, dass User nur andere Leute einladen, mit denen sie auch öffentlich in Verbindung gebracht werden wollen. All diese Fakten zahlen ein in das „Exklusivitätsgefühl“ – und verleihen der gesamten App einen elitären Charakter. Ganz nebenbei entsteht allerdings ein Schneeballsystem mit „exponentiellem Wachstum“ und R-Wert von 2, wodurch immer mehr Nutzer auf Clubhouse gelangen.

Stars, Influencer – und Telegram

Es waren vor allem durch Influencer und Stars, die ihre Anmeldung öffentlichkeitswirksam (z.B. in Instagram Storys) teilten und so die Nachfrage erhöhen. Zu den ersten Promis in Deutschland gehörte Fernsehmoderator Joko Winterscheidt, der allein auf Instagram über eine Million Follower hat. In der Zwischenzeit ist die Popularität der App jedoch noch einmal enorm gestiegen und so finden sich auf Clubhouse beispielsweise auch Gesundheitsminister Jens Spahn, FDP-Chef Christian Lindner und der aus Höhle der Löwen bekannte Unternehmer Carsten Maschmeyer.

In Deutschland hat sicherlich auch die Erwähnung von Clubhouse im Podcast „Doppelgänger Tech Talk“ eine bedeutende Rolle gespielt. Denn im Anschluss wurden Dutzende Telegram-Gruppen gegründet, über die Nutzer Ihre Einladungen an andere Interessenten weitergeben konnten. Auch hier kam der für die App-Entwickler wertvolle Schneeballeffekt voll zum Tragen.

24/7 Audio-Sessions

Was den Reiz der App ausmacht, ist für viele auf den ersten Blick schwer zu greifen. Denn das, was Clubhouse bietet, können andere schließlich auch: Es gibt einerseits bereits zahlreiche Online-Konferenz-Tools, und telefonieren kann man über WhatsApp oder FaceTime doch schließlich auch – und sogar noch mit Video, was man bei Clubhouse gänzlich vermisst. Von den in den letzten beiden Jahren immer beliebter gewordenen Podcasts auf Spotify und Co. mal ganz zu schweigen.

Dafür ist auf Clubhouse die (derzeit aus o.g. Gründen noch „elitäre“) Liste der Anwesenden stets sichtbar. Und um zu wenig Content braucht man sich nicht zu sorgen: Fast 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche werden Talks angeboten, vom zwanglosen Mittagslunch mit Leuten aus der gleichen Branche über Gesprächsrunden über den (Un-)Sinn von Butter (ja, das, was man aufs Brot schmiert) bis hin zu Audiotalks verbitterter Anhänger über die Frage, wie die CDU denn nun bloß ohne Friedrich Merz an der Spitze weiter existieren soll, ist für jeden etwas dabei.

„FOMO“ – oder die Angst, was zu verpassen

Was es nicht gibt und was die AGBs der App ausdrücklich untersagen: Aufzeichnungen des Geschehenen bzw. „Gehörten“. Die unmittelbare Folge dessen ist die Tatsache, dass unter den Usern die Angst grassiert, etwas Wichtiges verpassen zu können. Dieser Effekt hat sogar einen eigenen Fachbegriff: „Fear Of Missing Out“, abgekürzt „FOMO“.

Der besondere Reiz der App ist schließlich das Unvorhersehbare: Wenn sich beispielsweise mitten in das „Hauptstadtgeflüster“ zur Mittagszeit nicht nur spontan Ex-BILD-Chef Kai Diekmann zuschaltet, sondern sogar Thomas Gottschalk zur unbekümmerten Plauderei, sorgt das für große Erheiterung und einen gewissen Wow-Effekt bei den User. Manche Talks erreichen bis zu 5000 Menschen gleichzeitig – und jeder von ihnen kann sich theoretisch an der Debatte beteiligen, sofern einer der „Speaker“ auf dem Podium das Rederecht erteilt. Und: Im Gegensatz zu Twitter ist der Umgangston auf Clubhouse sehr angenehm. Zwar wird auch gestritten, aber stets sachlich und mit dem nötigen Respekt gegenüber anders Meinenden.

Beginn einer neuen Ära oder Eintagsfliege?

Fakt ist: Was viele Menschen derzeit schmerzlich vermissen, sind Besuche im Restaurant oder Kino. Einigen fehlt offenbar auch die Teilnahme an Tagungen oder an Digitalkonferenzen. Auf der Suche nach fachlichem Austausch, unbekümmertem Plausch aber auch Selbstdarstellung haben sie bei Clubhouse eine neue Heimat gefunden – und ein neues Publikum. Kein Wunder, dass bislang vorwiegend Bewohner der Medien-, Gründer- und Marketingblase den Weg in die App gefunden haben. Der SPIEGEL formuliert es so: „Ein Großteil der Hausbewohner lebt offenbar in Berlin-Mitte, jedenfalls geistig. Manche Runden wirken wie eine Hipster-Ausgabe von Maybrit Illner.“

Die große Frage wird sein, ob es Clubhouse gelingt, auch den Otto-Normal-Verbraucher für sich zu gewinnen und auf Dauer an die Plattform zu binden. Auch und insbesondere nach dem Lockdown, der vielen Menschen (zu) viel Zeit gibt, mobile Endgeräte zu nutzen. Es wird also spannend sein zu sehen, wie sich Clubhouse entwickelt, wenn Talkrunden und andere Möglichkeiten zur Selbstdarstellung auch wieder in Veranstaltungsräumen, Restaurants, Kneipen, Buchhandlungen und auf Messen möglich sind – und ob Clubhouse das gleiche Schicksal erleidet wie MySpace, oder ob die Audio-App ein echter Gamechanger in Social Media wird.

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